Charachature incarnate
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Willkommen in der Pflicht: Wie Kommunen mit den Flüchtlingen umgehen
Die Kommunen in Südbaden haben zunehmend Mühe mit der Unterbringung von Flüchtlingen. An einigen Orten findet sich geräuschlos eine Lösung, an anderen mischt sich in die Hilfsbereitschaft lauter werdendes Murren. Ein Besuch in Au, Lahr und Lörrach.
Die Landkreise, Städte und Gemeinden stehen bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern vor großen Problemen. In vielen Fällen findet sich geräuschlos eine Lösung, an manchen Orten regt sich Protest – und das ist keineswegs eine Frage der Größe. Wir haben uns exemplarisch in drei Gemeinden umgesehen.
Au baut ein Haus – für Flüchtlinge
Wenn die wunde Welt nicht im Fernsehen bleibt, sondern in der heilen Welt ankommt, macht das die Menschen erst einmal beklommen. So kann man es nennen, was sich da atmosphärisch an einem Juliabend im Bürgerhaus von Au ausbreitet. Keiner lacht, keiner schimpft, keiner agitiert – die meisten der knapp 200 Zuhörer blicken nur tiefernst.
Die Gemeinde Au, deshalb sind die Leute hier beim Infoabend, will ein Haus bauen – in ihrer Dorfmitte, ein Haus für Flüchtlinge, vielleicht für zwölf, vielleicht bald zwanzig. Sie will nicht nur, sie muss. Weil sie sonst Zelte hinstellen müsste oder Container. Nur eines geht nicht: Die Menschen, die da kommen werden, wieder wegschicken. Das wäre nicht nur rechtswidrig, es verstieße auch gegen den Geist dieser selbstbewussten kleinen Gemeinde.
Es ist eine sehr heile Welt hier im Hexental am Südrand Freiburgs, die Landschaft lieblich, die Grundstückspreise hoch, die Häuser von hohem Ökostandard. Das Gemeinwesen des 1200-Einwohner-Orts wirkt intakt, Musikverein, Chor, Feuerwehr. Nun soll in dieser heilen Welt die wunde Welt Einzug halten, vis-à-vis dem Rathaus, direkt neben einem Schlösschen.
Es gehört Wolf und Renate Lindner, und die beiden wollen das neue Nachbarhaus nicht. "Wenn es gebaut wird", sagt Wolf Lindner, "dann wird es auch vollgemacht. Alles andere ist Augenwischerei." Der 67 Jahre alte Physiotherapeut und die vier Jahre jüngere Lehrerin haben 183 Unterschriften gesammelt, für ein Bürgerbegehren: Das richte sich, versichern sie, nicht gegen Flüchtlinge, aber das kleine Baumgrundstück neben ihrem alten Haus sei unbebaubar, das sehe doch wohl jeder.
Das sehen der Bürgermeister und sein Gemeinderat anders, wenn auch notgedrungen. Irgendwo muss das Haus ja hin – falls nicht doch noch fünf, besser zehn, fünfzehn Auer Hausbesitzer sich bereit erklären, Flüchtlinge in ihrer Einliegerwohnung oder Dachkammer aufzunehmen. Bisher sind es nur zwei oder drei. Einer davon ist – Wolf Lindner, ausgerechnet. Er hat dem Bürgermeister und dem Landratsamt angeboten, dass in die WG im Obergeschoss, in der ein Zimmer frei wird, ein Flüchtling einzieht. "Nur damit klar ist", knurrt er, "dass es hier nicht irgendwelche Pegida-Bestrebungen gibt."
Eigentlich war Au stolz auf seine Willkommenskultur. Das alte Ratszimmer hat man schon vor zwei Jahren zur Flüchtlingswohnung umgebaut, eine junge Frau aus Kamerun wohnt darin, eine Mitbewohnerin aus Nigeria mit kleinem Kind kam inzwischen anderswo im Ort unter. Ein Helferkreis hat sich schon im Vorjahr zusammengefunden, Bürgerinnen, die sich um Sprachförderung, Freizeit und Kontaktpflege kümmern.
"Das hat so keiner abgesehen", räumt Silke Bannasch ein. Sonst hätte man den alten Kindergarten vielleicht damals nicht lukrativ versilbert, sagt die Gemeinderätin von der Wählervereinigung, sondern für Flüchtlinge umgebaut. Allein Wolf Lindner behauptet, er habe genau das rechtzeitig vorgeschlagen. Vergossene Milch. Grundsätzlich jedoch "fanden das alle gut", berichtet Bannasch aus dem Gemeinderat: die Neuankömmlinge mitten im Ort statt irgendwo draußen auf der Wiese am Ortsrand, Dorfplatz und Spielplatz vor der Tür, die Bushaltestelle und Freitags der Wochenmarkt. "Die Hoffnung ist auch, dass sie so vielleicht jemanden kennenlernen, der sie bei sich wohnen lässt."
Denn das, sagt Bürgermeister Jörg Kindel, sei wohl auch der Grund für die Reserviertheit privater Vermieter. Nicht fehlende Gastfreundschaft, sondern die Frage, wen schicken die mir da, passt der zu uns, wie lange bleibt der?
Eigentlich kann Kindel sich freuen. Seine Planung hat gesiegt. Aus dem Bürgerbegehren der Lindners war ein Bürgerentscheid geworden. 63 Prozent der Auer stimmten für den Bau des Flüchtlingshauses in der Dorfmitte – bei einer beachtlichen Wahlbeteiligung von 57 Prozent. "Schon Klasse", lobt Kindel. Wobei in manchen Köpfen, ahnt auch Silke Bannasch, der Hintergedanken gewesen sein könnte: Lieber dort, als bei mir in meiner Straße.
Doch die Freude des Bürgermeisters hielt nicht allzu lange. Die Entwicklung ist allzu "dynamisch", wie Planer sich ausdrücken. Das wichtigste Wort des 51 Jahre alten Christdemokraten momentan ist "noch": Noch halte man an zehn Quadratmetern pro Flüchtling in dem Haus fest; noch gehe man von zwölf Bewohnern aus und nicht von zwanzig; noch mache das Landratsamt keinen Druck; dort sehe man ja, dass Au die Aufgabe angeht. Ja, und noch muss man den gemeindeeigenen Kirchensaal den Vereinen nicht wegnehmen und Feldbetten hineinstellen. Am Freitag dann musste das Dorfoberhaupt sein erstes "noch" kassieren: Das Landratsamt macht Druck, weist Au einen weiteren Flüchtling zu, und der ist ein Mann – entgegen dem Wunsch der Gemeinde nach einer Frau. Kindel staunt: "Ein Entgegenkommen haben die diesmal kategorisch abgelehnt." Bei der Frau aus Kamerun im Rathausuntergeschoss kann Kindel den Neuankömmling nicht unterbringen. Jetzt muss er auf die Suche gehen.
Lahr: Gehörig Dampf im Kessel
Sulz – liegt im Loch, aber schön ist’s doch! So stellen Sulzer ihren Ort Zugezogenen gerne bei einem Viertele Wein vor, nicht ohne Augenzwinkern. Sie mögen ihr Dorf. Man kennt sich in dem 3500 Einwohner zählenden Ortsteil von Lahr, und das seit Generationen. Und ja, wenn man mit ihnen bei einem Glas Wein zusammensitzt, ist man bereits weit gekommen. Es braucht Zeit, bis man dazugehört.
Entsprechend schwer tun sich einige Bürger mit der Idee, die Alfred Schleimer Anfang des Jahres dem katholischen Pfarrgemeinderat vorträgt. "Man könnte doch", sagt der frühere Caritas-Referent für Armutsfragen, "den leerstehenden Kindergarten dem Landratsamt für Flüchtlinge anbieten." Die Kirche nimmt also die Verhandlungen auf, es folgt eine Gebäudebegehung, die Prüfung rechtlicher und bautechnischer Fragen. Resultat: Das Landratsamt will das Haus kaufen und für 350 000 Euro für Flüchtlingsfamilien umbauen.
Wie ein Schleier liegt seither auf einigen Sulzern die Furcht, von Flüchtlingen überrannt zu werden. "Ich habe Angst um mein kleines Paradies", so eine Anwohnerin, deren Grundstück direkt angrenzt: "Nicht, dass ich Sorge vor Übergriffen habe, wohl aber vor Lärm. Der war schon zu Kindergartenzeiten kaum zu ertragen." Das Haus liege in einer Kessellage, es könne ein sozialer Brennpunkt entstehen, lebten dort zu viele Menschen auf zu engem Raum. Ihre Altersvorsorge sehen andere in Gefahr. Das Eigenheim verliere an Wert. Michael Loritz, zuständiger Dezernent im Landratsamt, stellt sich Ende Juni diesen Fragen und reagiert. Er will die Belegung im Haus, das für 65 Personen ausgelegt ist, zunächst auf 40 Personen begrenzen.
Noch immer zu viele Flüchtlinge, meint Rolf Gerard, CDU-Ortsvorsitzender und Initiator einer Bürgerinitiative, die sich unter dem Motto "Helfen ja – Überfordern nein" kurz darauf bildet. Ihr Ziel: nicht mehr als 30 Flüchtlinge, um "ein Mindestmaß an Lebensqualität für die unmittelbaren Anrainer zu garantieren", wie es Gerard in seinem Aufruf formuliert. 600 Unterschriften überreicht er vier Wochen später neben Ortsvorsteher, Landratsamt und Lahrs Oberbürgermeister Wolfgang Müller auch an Pfarrer Matthias Ibach: "Damit der Pfarrer sieht, wer aus seiner Gemeinde unterschrieben hat." Ibach selbst hat inzwischen dem Landratsamt einen Brief mit offenen Fragen und der Forderung geschickt, die Flüchtlingszahl auf 40 festzusetzen. "Ich bin verpflichtet, den Bewohnern zu helfen. Finden wir keine Lösung, habe ich keinen Platz für Flüchtlinge", so der Geistliche. Ortsvorsteher Rolf Mauch unterschreibt mit, der Ortschaftsrat steht mit großer Mehrheit hinter ihm.
Mitte Juli meldet Loritz den Beginn der Chaos-Phase: "Für rund 250 Flüchtlinge fehlen uns im August die Unterkünfte." Bis Jahresende müssen in der Ortenau 870 Asylsuchende mehr als noch im Februar prognostiziert untergebracht werden. Pfarrer Ibach sagt indes: "In den Ferien fällt in Sulz keine Entscheidung über den Verkauf." Er fehlt, als am Freitag Alexandra Roth, Leiterin des Offenburger Migrationsamtes, zum wiederholten Mal nach Sulz kommt, erneut, um den Anwohnern ihre Ängste zu nehmen. Zu dem Gespräch will sie sich nicht äußern. "Die Anwohner wollen darüber nichts in der Zeitung lesen."
Nun also Schweigen, so auch beim Ortsvorsteher. Dennoch ist Mauch überzeugt: "Wir können das leisten, Kriegsflüchtlingen bei uns eine sichere Bleibe zu geben." Dabei sieht er nicht zuletzt die Bürgerinitiative in der Pflicht: "Ich hoffe, sie beherzigen ihr Motto. Mit ihrer Unterschrift haben die 600 auch Ja zur Hilfe gesagt."
Alfred Schleimer würde seinen Vorschlag wiederholen, ungeachtet der anonymen Briefe und Schmähanrufe, die ihn erreichten: "Wir stehen in der Verantwortung, Menschen zu beherbergen, die an Leib und Leben bedroht sind." Und während im nahen Gengenbach Landrat Scherer die ersten Flüchtlinge in einer Turnhalle einquartiert und Freiburg die ersten Zeltstädte plant, steht in Sulz ein Haus leer, das mehr Privatsphäre zu bieten hat. Sie brauchen halt Zeit, die Sulzer. Mauch hofft: "Nur noch ein klein wenig."
Lörrach: Zuversicht im zweiten Anlauf
Die Störche stehen gerne auf dem abgemähten Getreidefeld zwischen Kindergarten, Blumenfeld zum Selberpflücken und Fußballplatz am Rande des Lörracher Ortsteils Haagen. Es gibt nicht mehr viele solcher Grünflächen in der Stadt, die auf fast 50 000 Einwohner angewachsen ist und weiter wächst. Basel lockt, es fehlt an bezahlbarem Wohnraum. Und dann ist da noch die Wiese, auf der in diesem Sommer letztmals Heu gemacht wird. Sie soll bebaut werden, damit 200 Asylbewerber ein Dach über dem Kopf haben. Der Landkreis braucht eine weitere Gemeinschaftsunterkunft, die zweite Station im Leben der Asylbewerber nach den Wochen im Erstaufnahmestelle. Von hier werden sie auf die Gemeinden verteilt – oder abgeschoben.
Aus einem Architektenwettbewerb ging ein ambitionierter Vorschlag als Siegerentwurf hervor. Er ordnet fünf Gebäude kleinteilig an und nimmt ihnen so die Wucht. Sollte eines Tages die Zahl der Flüchtlinge wieder zurückgehen, können die Gebäude leichter anderweitig genutzt werden. Zudem wird die Caritas, die die Betreuung der Bewohner übernimmt, ihre Verwaltung in einen weiteren Neubau verlegen.
Das Projekt ist weitgehend unumstritten, das liegt nicht nur an der Architektur. Die ist eher Ausdruck eines Lernprozesses nach einem ernüchternden Auftakt. Denn die Gemeinschaftsunterkunft, die der Kreis einrichten muss, sollte im benachbarten Ortsteil Brombach errichtet werden und war für 300 Menschen ausgelegt. Doch es gab Proteste und Bürgerversammlungen, die Anwohner lehnten die Massierung ab, fürchteten um ihre Ruhe und den Wert ihrer Immobilien – und noch ehe das Thema entschieden werden konnte, war das Grundstück anderweitig verkauft.
Das Scheitern im ersten Anlauf führt die damalige Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Bluhm, inzwischen Hauptgeschäftsführerin des baden-württembergischen Städtetages, auf Kommunikationsprobleme und ein spezifisches Umfeld zurück. "Der Aufschlag war nicht glücklich", sagt die CDU-Politikerin. Und wenn sie in ihrer neuen Funktion gefragt wird, wie es richtig geht mit der Kommunikation, dann sagt sie: Frühzeitig informieren, die Notwendigkeiten darlegen, Gründe für Entscheidungen transparent erläutern – aber am Ende auch mit ruhiger Entschiedenheit, Klarheit und ohne Wankelmut für eine Entscheidung einstehen. Auch gute Partner seien wichtig: Das Grundstück am neuen Standort gehört der Kirche, die ist nun mit im Boot. Dass die Caritas ihre Geschäftsstelle an den Standort verlegt, sei auch ein Signal: Wir sind auch hier. Aus dem einen Standort für 300 Flüchtlinge wurden zwei mit 100 und 200 Plätzen – die kleinere Sammelunterkunft in der Innenstadt ist seit Monaten in Betrieb. Dass sie gut funktioniert, dafür sorgen auch viele ehrenamtliche Helfer.
Heute-Bluhm Blick richtet den Blick in die Zukunft: Jene Asylbewerber und Flüchtlinge, die bleiben, werden irgendwann in die Städte zurückkehren. Um Verteilungskämpfe um Wohnraum zu vermeiden, müsste der soziale Wohnungsbau angekurbelt werden. Sonst könnte die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung Schaden nehmen.
Die nächste Folge der Serie lesen Sie am Donnerstag, 13. August. Thema: Angekommen und geblieben – eine syrische Familie
Mehr zum Thema:
Dossier: Alle Serienteile zum Thema Flüchtlinge in Südbaden
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